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Sehr geehrtes

  • Organisationsteam der European Juggling Convention 2025 (EJC’25-Kernteam)
  • European Juggling Association (EJA)
  • Mitglieder der weltweiten Jonglier- und Zirkusgemeinschaft

Wir schreiben, um über die Ereignisse auf der diesjährigen European Juggling Convention (EJC), das fehlende Eintreten für das palästinensische Volk sowie die fehlende Freiheit von Rede und Ausdruck (Meinungsfreiheit) während der EJC zu sprechen.

Wir erkennen die enormen Bemühungen des EJC’25-Kernteams und aller anderen Freiwilligen an, die die EJC möglich machen, und wir danken allen für die Zeit, Energie und Hingabe, die sie eingebracht haben. Wir wissen um die Herausforderungen, in Zeiten von Krieg, Völkermord und globaler Instabilität eine offene und friedliche EJC zu gestalten.

Trotzdem widersprechen wir entschieden der Wahl, Debatten, Proteste, kritische Äußerungen und Solidarität in Bezug auf die palästinensische Sache zum Schweigen zu bringen. Schweigen und das Unterdrücken von Debatten, Solidarität und Widerspruch während des Völkermords in Gaza stärkt den Unterdrücker und macht mitschuldig. Auf diese Weise entsteht keine „unpolitische“ Veranstaltung, wie manche behaupten.

Die individuell und kollektiv geplanten und/oder durchgeführten Aktionen haben weder den Ablauf der Convention noch deren Veranstaltungen gestört. Sie richteten sich nicht gegen Einzelpersonen und waren gewaltfrei. Daher lehnen wir die Repression dieser Aktionen und der beteiligten Personen entschieden ab. Druck und Ausschluss sind in der aktuellen geopolitischen Situation keine angemessene Antwort. Für diejenigen, die nicht anwesend waren oder nicht vollständig informiert sind, haben wir die Ereignisse so genau und vollständig wie möglich in einer chronologischen Übersicht aufgeführt (in English).

Das offene Treffen und die Debatte am letzten Tag der EJC, die kurzfristig aufgrund des Engagements einiger Jonglierender organisiert wurden, war ein sehr guter erster Schritt in Richtung Dialog. Es gab Raum für alle, sich zu äußern. Es wurde viel zugehört. Es wurden kontroverse und gegensätzliche Meinungen respektvoll geäußert. Ein solcher offener und sicherer Raum für Ausdruck war und wird die Grundlage für weiteren Dialog, Debatte und friedliches Zusammenleben bei EJCs sein. Doch das reicht uns nicht. Wir wünschen uns, dass dieser Prozess weitergeführt und vertieft wird.

Einige israelische Teilnehmende der EJC sind von der Sympathie, Solidarität, Symbolen, Flaggen und Parolen für Palästina verängstigt. Sie sind darauf konditioniert worden, diese mit Terrorismus und Tod – sogar von Angehörigen – zu assoziieren, und diese Symbole rufen tiefe Angst hervor. Sie haben ihre Sorgen im Vorfeld an die Organisation herangetragen. Wir stimmen im Grundsatz zu, dass Sicherheit vor realen Bedrohungen gewährleistet werden muss. Wir stimmen jedoch nicht zu, dass palästinensische Symbole wie die Flagge mit Terrorismus oder einem Aufruf zur Gewalt gleichgesetzt werden sollten. Diese Assoziationen sind das Resultat israelischer Propaganda und sollten widerlegt werden.

Aufgrund des verpflichtenden Militärdienstes in Israel war oder ist ein erheblicher Teil der vielen israelischen Jonglierenden bei der EJC möglicherweise in der israelischen Armee aktiv und potenziell am Völkermord in Gaza beteiligt. Einige könnten Kriegsverbrechen begangen haben. Für uns ist dieser Gedanke sehr beunruhigend und problematisch. Wir möchten darauf aufmerksam machen. Das EJC-Kernteam sollte durch eine klare Position zugunsten des palästinensischen Volkes die Teilnahme von IDF-Soldaten, die Kriegsverbrechen begangen haben, entmutigen.

Andererseits sind viele Jonglierende und Teilnehmende der EJC erschüttert von der fortwährenden kolonialen Gewalt gegen Palästinenserinnen im Westjordanland und vom Völkermord in Gaza. Dieser wird oft als „live gestreamter Völkermord“ und als der am meisten dokumentierte Völkermord der Geschichte bezeichnet. Wir fordern, dass auch die Sicherheitsbedenken von Palästinenser*innen und palästinensischen Zirkusorganisationen berücksichtigt werden und dass Maßnahmen ergriffen werden, um sie zu unterstützen und sich bei der EJC sicher und willkommen zu fühlen.

Die Realität ist, dass die meisten palästinensischen Jonglierenden nicht das Privileg haben, nach Europa zu einer EJC zu reisen. Palästinensische Jonglierende – wie alle Palästinenser*innen – sind einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt. Sie werden besetzt, ausgehungert und täglich getötet – zusammen mit ihren Angehörigen. Ihre Sorgen, Hoffnungen und Kreativität werden in Palästina von Israel unterdrückt und bei der EJC zum Schweigen gebracht. Palästinenser*innen können es sich nicht leisten, zu einer EJC zu reisen, weil die palästinensische Wirtschaft durch koloniale Politik und das Apartheidsystem erstickt wird, unterdrückt sowohl von einzelnen illegalen Siedlern als auch vom Staat Israel. Ihre Bewegungsfreiheit wird vom Staat Israel kontrolliert und eingeschränkt. Palästinensische Zirkuskünstler*innen und Lehrer*innen werden ohne Gerichtsverfahren in israelischen Gefängnissen festgehalten – ebenso wie ihre Angehörigen. Viele sind durch den anhaltenden Krieg und die systematische Gewalt privater Milizen und des Staates Israel und seiner Armee (sowohl im Westjordanland als auch in Gaza) verletzt und traumatisiert. Viele wurden getötet.

Wir wollen, dass auch diese Menschen repräsentiert werden!
Es ist uns wichtig, zu diesem Thema Stellung zu beziehen, gerade wegen der strukturellen Komplizenschaft unserer wirtschaftlichen und politischen Eliten in Europa. Solange Krieg und Kolonialismus eine profitable Industrie sind, wird es Krieg geben.
Wir beanspruchen unser Menschenrecht auf Meinungs- und Redefreiheit und wollen unsere moralischen Pflichten als privilegierte Bürger*innen erfüllen.
Wir wollen auf allen Ebenen handeln, um uns mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren, gegen unmenschliche strukturelle Gewalt zu sprechen und zu versuchen, zu Veränderungen beizutragen.

Daher fordern wir Folgendes:

– Das EJC’25-Kernteam, zukünftige EJC-Kernteams und die EJA sollen eine klare Position gegen die Unterdrückung der Palästinenser*innen und gegen den Völkermord in Gaza beziehen.

– Die vor und während der Convention getroffenen Entscheidungen, die darauf abzielten, Debatten zu unterdrücken und Menschen in ihren Rechten einzuschränken, sollen – zunächst intern, dann öffentlich – vom EJC’25-Kernteam und der EJA evaluiert und gegebenenfalls durch ausgleichende Maßnahmen begleitet werden.

– EJCs und die EJA müssen die Schaffung eines offenen Raumes für Meinungsfreiheit in einer sicheren Umgebung fördern oder unterstützen – gerade dann, wenn Themen sensibel sind und bei vielen tiefe Emotionen hervorrufen.

– Zukünftige EJCs oder die EJA dürfen die Meinungs- und Redefreiheit nicht durch das Verbot von Flaggen, Kleidung, Workshops oder politischen Äußerungen und Aktionen einschränken. Es gibt ausreichende Gesetze, die ein Eingreifen im Falle von Gewaltaufrufen, Hassrede oder Diskriminierung ermöglichen.

– Wir wünschen nicht, dass Israel in Shows und Wettbewerben gefeiert oder hervorgehoben wird, solange Palästina nicht von Israel als freies Land anerkannt wird und alle Kolonialisierungen und Kriegsverbrechen beendet sind. Einzelne Künstler*innen und Teilnehmende sind willkommen, aber sie sollten kein Land repräsentieren, das Kriegsverbrechen und Völkermord begeht. Wir begrüßen eine Diskussion darüber, dieses Prinzip auch auf andere Staaten anzuwenden, die internationales Recht verletzen.

– Wir fordern zukünftige EJC-Kernteams auf, die Polizei nur als letztes Mittel und nur dann zu rufen, wenn es wirklich notwendig ist.

– Wir fordern zukünftige EJCs auf, das Angebot an Produkten zu überprüfen und Unternehmen zu boykottieren, die an Umweltkrisen, Unterdrückung und Völkermorden mitwirken. Mindestens sollten Alternativen bereitgestellt werden, z. B. zu Coca-Cola an der Bar.

– Wir fordern die Einrichtung einer Ländervertretung für Palästina in der EJA, wie sie auch andere nationale (privilegierte) Jongliergemeinschaften haben.

– Zukünftige EJC-Kernteams sollen sich bemühen, die Präsenz von Künstler*innen, Schulen und Organisationen aus Palästina und anderen systematisch unterdrückten Regionen zu erhöhen. Sie sollen aktiv eingeladen und finanziell unterstützt werden, um besser repräsentiert zu sein.

Wir danken für die Aufmerksamkeit und freuen uns auf positive Veränderungen in der Welt sowie in unseren Zirkus- und Jonglierveranstaltungen und -gemeinschaften.

Wir schließen, indem wir unsere Solidarität mit dem palästinensischen Volk und allen unterdrückten Menschen ausdrücken.

Mit Liebe und Wut
Jugglers for Palestine